Gefängnistagebuch und Korrespondenzen von Bruno Kreisky
»Wir, die 25jährigen, wir haben also auch schon eine Vergangenheit«, resümierte Bruno Kreisky nach einem halben Jahr Haft in den Gefängnissen des austrofaschistischen Regimes. Während der Zeit seiner Inhaftierung im Jahr 1935 verfasste Bruno Kreisky ein Gefängnistagebuch - eine bisher unveröffentlichte und daher weitgehend unbekannte, authentische Quelle. Aus Anlass des 25-jährigen Bestehens der Stiftung Bruno Kreisky Archiv wurde dieser unmittelbare, sehr persönliche und zugleich politisch hoch interessante Text zur Publikation aufbereitet. Das Buch ist auch aus Gründen der Erhaltung von Quellenmaterial von großer Bedeutung: Das Tagebuch liegt nicht mehr im Original vor, sondern nur mehr in einer Kopie. Umso wichtiger ist ihre nachhaltige Sicherung für die Zukunft. Neben dem Gefängnistagebuch werden hier die politische Korrespondenz Kreiskys aus dem Jahr 1931 mit einer Berliner Sozialdemokratin sowie Briefe und Kassiber aus der Haftzeit an ebenfalls in der Illegalität tätige Personen aus dem Umfeld Kreiskys erstmals veröffentlicht.
Um einen möglichst hohen geschichtsdidaktischen Nutzen und ein möglichst großes Publikum zu erreichen, wurden die transkribierten Texte in ihren zeithistorischen Kontext gestellt. So können diese authentischen Quellen über den unmittelbaren Text Hinausgehendes über Österreich in den 1930er-Jahren, die Radikalisierung der Gesellschaft, das Ende der Demokratie und die Faschisierung des politischen Systems aussagen. Der Umgang mit politisch anders Denkenden, der auch in einer globalen Gesellschaft eine wesentliche Frage der Verfasstheit von Gemeinwesen ist, wird hier unmittelbar und direkt thematisiert. Die Dokumente reflektieren darüber hinaus Strategien und Orientierungen eines spezifischen politischen Milieus, das auch für die Geschichte der Zweiten Republik von Bedeutung ist.
Das profil vom 15. Juni 2009 berichtet.
Otto Tausig liest aus den Gefängnistagebüchern. Hier eine Hörprobe
Rainer Mayerhofer rezensiert am 23. Juni in der Wiener Zeitung