Eine Archäologie des Unbewussten | Wien - Berlin
»Die Schatten der Opfer werden solange fortfahren, uns als »lebende Tote« zu verfolgen, bis wir ihnen ein anständiges Begräbnis bereiten, in dem wir diese Traumata in unsere Geschichte integrieren.«
Jacques Lacan
Wolf Werdigier versammelt in diesem Buch Bilder aus mehreren seiner Ausstellungen, die sich mit dem gespannten Verhältnis zwischen der jüdischen und nicht-jüdischen Bevölkerung in der Vorkriegszeit und heute beschäftigen. Die Arbeiten konzentrieren sich dabei geografisch auf die Städte Wien und Berlin. Die Inhalte werden dabei durch Einzelgespräche mit Zeitzeugen und mit Nachkommen der Opfer und der Täter in diesen Städten erarbeitet. Bei diesen Gesprächen wird, ähnlich einem inneren Monolog, über Gefühle und Träume assoziativ gesprochen um Verdrängtes zum Vorschein zu bringen. All diese Erfahrungen fließen dann in den Akt des Malens mit ein. Die Gespräche basieren auf einer gruppenpsychoanalytischen Methodik, mit der u. a. Vamik Volkan und Raphael Moses arbeiten, bei der es um die Auseinandersetzung mit jenen Erlebnissen aus der Vergangenheit geht, die zu Traumatisierung oder Schuldgefühlen geführt haben. Oft sind diese auf der rationale Ebene greifbar, auf der emotionalen Ebene jedoch nicht vorhanden. Die so entstandenen Bilder Werdigiers beziehen sich auf die erzählten Geschichten selbst und können einen Anstoß zu weiteren Gesprächen, zum Assoziieren und zur bewussten Auseinandersetzung geben. Dieses „Nachbearbeiten“ erfolgt oft in den Ausstellungen selbst, in so genannten social dreaming workshops. Dabei sind die Teilnehmer angehalten, Träume zu erzählen und zu diesen Träumen auch Erlebnisse, Geschichten und Metaphern, die sie mit den Bildinhalten frei assoziieren. Diese Methode des social dreaming wurde von Gordon Lawrence entwickelt und basiert auf der Befragungsmethode der Analytikerin Charlotte Berath.